Diplom Theologin Eva-Maria Schmitz

Vögel in der Bibel


Inhalt

Vorwort

Für meine Freundin Ute zu ihrem Geburtstag. Sie liebt ihre gefiederten Freunde und brachte mich auf die Idee, nach Vögeln in der Bibel zu forschen.

Die Auflistung der Vögel erhebt nicht den Anspruch von Vollständigkeit. Ebenso ist die Reihenfolge eher zufällig entstanden.

Die Übersetzung der Bibeltexte folgt der Lutherübersetzung von 1984, wenn es nicht anders angegeben ist.

Die Beschäftigung mit den Vögeln in der Bibel hat mir Freude bereitet. Eine ebensolche Freude wünsche ich den Leserinnen und Lesern.

Neuendeich, 14.4.2017

Einleitung

In der Bibel werden mehrere Vogelarten erwähnt. Die genaue zoologische Identifikation ist jedoch häufig schwierig, da die hebräischen Bezeichnungen oft lautmalerisch sind. Zum Beispiel werden kleinere Vögel mit einem Wort bezeichnet, das sich mit Zwitscherer – ṣippôr – übersetzen lässt. Ebenso ist die Bezeichnung für Rabe, ‘orev, eine Anlehnung an die Laute dieses Vogels. Erst über eine Beschreibung der Eigenschaften des Vogels kann auf die Art geschlossen werden. Dennoch ist es manchmal schwierig und verschiedene Übersetzungen der Bibel bieten unterschiedliche Entscheidungen.

Vom Zwitscherer stammt der Vorname Zippora, vom Raben Oreb und vom Steinhuhn, qore’, stammt der Vorname Kore. Tiernamen wurden als Namen für Personen verwendet, um eine Eigenschaft oder ein Verhalten des Tieres mit dem Namensträger in Verbindung zu bringen. Im Hintergrund steht das Wiedererkennen tierischer Merkmale beim Menschen oder menschlicher Eigenschaften bei Tieren. Voraussetzung dafür ist eine genaue Beobachtung der Natur.

Viele Vogelarten wurden gejagt. Mit Netzen oder mit dem Wurfholz wurden die Vögel gefangen bzw. erlegt. Im Buch Deuteronomium (14,12–20) wird aufgezählt, welche Vögel nicht gegessen werden dürfen, da sie als unrein gelten. Diese Unterscheidung beruht nicht auf hygienischen oder religiösen Gesichtspunkten. Ein wichtiges Reinheitskriterium ist, dass sich die Tiere ihrem Lebensraum entsprechend bewegen. Die Landtiere mussten sich auf Füßen bewegen, die Wassertiere mussten Flossen und Schuppen haben und die Flugtiere zwei Füße und Flügel. Als unrein galten unter anderem Tiere, die mit Lebensräumen in Verbindung standen, von denen für den Menschen Gefahren ausgingen, zum Beispiel Wüste, Steppe, Ruinenstätten. Ebenso Raubtiere und Aasfresser, die auch als gefährlich galten.

Im Buch Deuteronomium findet sich folgende Liste der unreinen Vögel (Dtn 14,12–20):

12 Diese aber sind es, die ihr nicht essen sollt: der Adler, der Habicht, der Fischaar,
13 der Taucher, die Weihe, der Geier mit seinen Arten
14 und alle Raben mit ihren Arten,
15 der Strauß, die Nachteule, der Kuckuck, der Sperber mit seinen Arten,
16 das Käuzchen, der Uhu, die Fledermaus,
17 die Rohrdommel, der Storch, der Schwan,
18 der Reiher, der Häher mit seinen Arten, der Wiedehopf, die Schwalbe.
19 Auch alles, was Flügel hat und kriecht, soll euch unrein sein und ihr sollt es nicht essen.
20 Die reinen Vögel dürft ihr essen.

Eine Liste der essbaren Vögel wird nicht aufgeführt. Zu ihnen zählten Taube, Wachtel, Sperling und Steinhuhn.

Seit der persischen Zeit gab es Hühnerzucht. Seit der hellenistischen Zeit wurden Tauben gezüchtet. Es gab riesige Taubenschläge (Kolumbarien), die die Massenhaltung dieser Tiere belegen. Sie dienten als Nahrung und waren auch beliebte Opfertiere. Tauben und Raben dienten außerdem den Seefahrern als Navigationshilfe. Sie halfen, die nächste Küste zu orten, da sie sich beim Auffliegen in Richtung Land bewegen. Ein berühmtes Beispiel ist die Taube in der Erzählung von der Arche Noah. Sie kam mit einem Ölzweig im Schnabel zurück. Tauben tragen nur dann Zweige, wenn sie Nester bauen – ein untrügliches Hoffnungszeichen, dass die Erde wieder bewohnbar war. Kleinere Vögel dienten manchmal als Spielzeug und wurden gern an Kinder verschenkt. Die Vögel waren an einer Schnur angebunden, damit sie nicht wegfliegen konnten. Das wird aber schon in der Bibel im Buch Baruch als Luxus der Oberschicht verurteilt.

Vögel und Religion

Im Schöpfungsbericht werden die Vögel eigens erwähnt. Sie bevölkern den Himmel und vermehren sich auf der Erde. Gott schuf alle Arten von gefiederten Vögeln, heißt es in der Bibel. Wenn der Mensch zum Herrscher über alle Tiere eingesetzt wird, ist damit nicht grenzenlose Verfügungsgewalt gemeint, sondern die Verantwortung für die Mitwelt, für die Schöpfung und alle Tiere.

Mit mehreren Vogelarten werden bestimmte Inhalte verknüpft. So gilt zum Beispiel die Taube als Liebesbotin. Geier werden oft mit Gerichtsvorstellungen in Verbindung gebracht. Raben und Eulen, die einsame und unbewohnte Gegenden bevorzugen, gelten als Vertreter einer gegenmenschlichen Welt und werden oft mit Vergänglichkeitsklagen in Verbindung gebracht.

Lebensraum

Für die Einteilung der Tiere war der Lebensraum entscheidend: Wasser, Luft und Land Die Wüste galt als lebensfeindlicher Raum. Der lebensbedrohliche Charakter der Wüste war immer gegenwärtig. Die Tiere, die in der Wüste oder nah der Wüste lebten, galten deshalb als „unheimlich“, wie zum Beispiel Raben und Eulen. Gleichzeitig war die Wüste auch ein Ort der Gottesbegegnung, ein Ort zur Läuterung, an dem eine neue Hinwendung zu Gott möglich wird. Die Exoduserzählung ist mit der Wüste verbunden, der Durchzug durch die Wüste ist der Weg in das Land der Verheißung.

Allgemein Vögel, ohne zu unterscheiden, werden im Mathäusevangelium erwähnt, um die göttliche Fürsorge bildhaft zu verdeutlichen (Mt 6,26):

26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?

Angesprochen sind diejenigen, die Jesus nachfolgten, ihren Beruf aufgegeben hatten und arm durch die Gegend zogen. Ähnlich ist es in einer anderen Stelle im Mathäusevangelium, da wird die Armut Jesu angesprochen (Mt 8,20):

20 Jesus sagt zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Es gibt viele Stellen in der Bibel, wo Situationen oder Menschen durch einen Vergleich mit Vögeln erläutert werden. Zum Beispiel so wie Vögel durch Steinwürfe verscheucht werden, so wird eine Freundschaft durch Schmähreden zerstört (Sirach 22,25):

25 Wer einen Stein unter die Vögel wirft, der scheucht sie weg; und wer seinen Freund schmäht, der zerstört die Freundschaft.

Aber auch Gottes Handeln wird mit Vögeln verglichen. Gott wird Jerusalem beschützen so wie Vögel, die über ihren Nestern flattern, um ihre Brut vor Gefahren zu bewahren (Jes 31,5):

5 Und der HERR Zebaoth wird Jerusalem beschirmen, wie Vögel es tun mit ihren Flügeln, er wird schützen, erretten, schonen und befreien.

1. Taube

Taube

Das Alte Testament kennt zwei verschiedene Bezeichnungen für Taube. Es wird auch hier nach Lebensraum unterschieden. Die eine Bezeichnung ist jônāh. Das erinnert nicht zu Unrecht an den Namen Jona. Es handelt sich um die grau-blaue Felsentaube von der unsere Haustaube abstammt. Sie ist in der Bibel sowohl wild lebend als auch als Haustier bekannt. Die andere Bezeichnung tôr meint die Turteltaube. Sie gehört zu den vor allem im Frühling auftretenden Zugvögeln.

Tauben nisten in unzugänglichen Felswänden. Sie konnten leicht gefangen werden. Ihr schneller Flug ließ den Autor des Jesajabuches formulieren (Jes 60,8):

8 Wer sind die, die da fliegen wie die Wolken und wie die Tauben zu ihren Schlägen?

Die bereits erwähnten Taubenschläge gab es seit dem 6.Jahrhundert vor Christus. Tauben waren wichtige Opfertiere. Stände von Taubenhändlern gab es im äußeren Tempelvorhof. Die Tauben konnten dort gekauft werden.

Tauben und Liebe

Seit dem 3.Jahrtausend gilt die Taube als Tier der Liebesgöttin Ischtar, Astarte und später von Venus und Aphrodite. Vermutlich hat das auffällige Paarungsverhalten der Tauben sie mit der Liebesgöttin in Verbindung gebracht. Das Schnäbeln der Tauben wurde als Küssen gedeutet. Es gibt etliche altorientalische Bilder, die die Verbindung von Taube und Göttin zeigen. In der Bibel ist es das Hohelied der Liebe, wo die Tauben und die Liebe verbunden werden. Dort wird die Geliebte mit einer wild lebenden Taube verglichen, die in den Felsklüften lebt (Hld 2,14):

14 Meine Taube in den Felsklüften,
im Versteck der Felswand,
zeige mir deine Gestalt,
lass mich hören deine Stimme,
denn deine Stimme ist süß,
und deine Gestalt ist lieblich.

Die Geliebte wird hier als unerreichbar geschildert. Sie ist nur für kurze Zeit sichtbar.

Die Geliebte wird öfter als „meine Taube“ angeredet (Hld 6,9):

9 Aber eine ist meine Taube, meine Reine, die Einzige ist sie für ihre Mutter, das Liebste für die, die sie geboren hat….

Diese Anrede zeigt den göttinnengleichen Status der Geliebten. Auch die Augen des oder der Geliebten werden mit Tauben verglichen. Mit den Augen sind die Blicke gemeint und die Tauben haben die Bedeutung von Liebesboten. Im Hohelied 5,12 heißt es über den Geliebten: „Seine Augen sind wie Tauben“. Das meint so viel wie: Deine Blicke sind Liebesbotinnen.

Auch in der Tauferzählung, wo in allen Evangelien berichtet wird, dass der Geist wie eine Taube auf Jesu herabschwebte, steht die Vorstellung der Taube als Liebesbotin im Hintergrund. Hier wird die Liebe des Vaters zum Sohn gezeigt, unterstrichen von der Stimme, die von Jesus als dem geliebten Sohn spricht.

Tauben als Vorbild

Die Taube galt bei Griechen und Juden als Vorbild für Lauterkeit, Wehrlosigkeit und Reinheit. Das ist der Hintergrund für die Aufforderung Jesu ohne Falsch wie die Tauben zu sein (Mt 10,16):

16 Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.

Der christliche Höhenflug der Taube

In den ersten Jahrhunderten nach Christus wurde die Taube Symbol für den Heiligen Geist. Bei der Taufe Jesu, so berichten die Evangelien, schwebte der Heilige Geist wie eine Taube herab. Der Schwerpunkt des Bildes in diesem Text ist nicht die Taube, sondern das Kommen, also die Art wie etwas kam. Der Geist fand sein Ziel, seine Botschaft kam sicher an. Die Taube galt als Botenvogel. Das heißt, hier wird nicht die Form oder Gestalt des Geistes beschrieben, sondern das rasche und zielsichere Eintreffen der Nachricht. Das Geschenk des Geistes traf ein. Wie ein Blitz einschlagen meint ja auch nicht, dass die Adressaten versengt werden, sondern dass die Nachricht ihr Ziel erreicht. Allerdings gibt es Vögel, die das Schweben besser beherrschen als Tauben. Die Wahl der Taube muss mit der Verbindung der Taube mit der Liebesgöttin im Zusammenhang stehen. Die Textstele gipfelt ja dann auch in der Aussage (Mt 3,17):

17 Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden hab.

In den Evangelien wird sonst an keiner anderen Stelle der Heilige Geist mit einer Taube verglichen. Aber, da der Heilige Geist schlecht vorstellbar war, geschweige denn darstellbar, wurde die weiße Taube zum Symbol für den Heiligen Geist. Denn in der Antike stand die Taube für Sanftmut und Liebe. Die Menschen glaubten damals, die Taube habe keine Gallenblase und sei deshalb frei von allem Bitteren und Bösen. Die Taube galt als keusch, sittsam und im guten Sinne einfältig.

In der christlichen Kunst gibt es viele Darstellungen, wo die Taube den Heiligen Geist symbolisiert. So gibt es Darstellungen der Trinität, der Verkündigung an Maria und auch Pfingsten. Eigentlich ist in der Bibel an Pfingsten von Sturm und Feuer die Rede, aber auch hier erlebte die Darstellung des Heiligen Geistes als Taube ihren Siegeszug.

In vielen Kirchen ist diese Geist-Taube zu finden, meist im Gewölbe. In evangelischen Kirchen ist oft der Schalldeckel der Kanzel mit einer Taube geschmückt. In gotischen Kirchen gibt es manchmal ein Heilig-Geist-Loch in den Deckengewölben. An Pfingsten wurde hier eine Holztaube herabgelassen. Sie schwebte dann über den Köpfen der Gläubigen. Es kam aber immer wieder zu Unfällen dabei. Dazu kam, dass in der Zeit der Aufklärung niemand mehr mit solchen Bräuchen etwas anfangen konnte und so verstaubten dann die Holztauben.

Als Friedenstaube ist die Taube zum Symbol weit über den kirchlichen Rahmen hinaus geworden. Die weiße Taube auf blauem Grund ist das Symbol für die Friedensbewegung. Picasso malte für den Friedenskongress in Paris 1949 eine Taube. Sie ist der Ursprung für die Taube der Friedensbewegung. Inspiriert ist diese Darstellung durch die Erzählung von der Sintflut. Die Taube kommt mit einem Ölzweig im Schnabel. Das eigentliche Friedenssymbol war der Ölzweig. Er geht auf das alte Symbol des Lebensbaumes zurück. Die Taube war ursprünglich nur Überbringerin dieses Friedenssymbols, wurde später dann aber selbst zum Symbol für Frieden.

2. Geier

Geier

Im Alten Testament werden mehrere Geierarten erwähnt. Auch in der Liste der unreinen Vögel. Es ist jedoch schwierig, die genaue Art herauszufinden. Erwähnt wird vermutlich der Bart- oder Lämmergeier, Luther übersetzt es mit Habicht (Deuteronomium 14,12):

12 Diese aber sind es, die ihr nicht essen sollt: der Adler, der Habicht, der Fischhaar,…

Die Einheitsübersetzung lautet so:

12 Dies sind die Vögel, die ihr nicht essen dürft: Aasgeier, Schwarzgeier, Bartgeier,…

In der Züricher Bibel sind es der Gänsegeier, der Lämmergeier und der Mönchsgeier, die nicht gegessen werden dürfen. Und die Bibel in gerechter Sprache übersetzt mit Aasgeier, Schwarzgeier, Bartgeier, was der Einheitsübersetzung entspricht. Diese Übersetzungsvielfalt zeigt die Schwierigkeiten, den Vogel zu identifizieren.

Ein Blick auf das Verhalten des beschriebenen Vogels, wie es der hebräische Name es nahe legt, kann helfen. Er lässt Knochen aus großer Höhe auf Felsen fallen damit die Knochen zerbrechen, um dann das Mark zu fressen. Hebräisch: paras, zerbrechen, lateinisch: ossifragus. Knochenbrecher entsprechen der hebräischen Bezeichnung des Vogels: paeraes.

Bei den anderen Geiern in der Liste der unreinen Vögel ist auch über die hebräische Bezeichnung nichts zu finden, was zur Identifizierung der Vögel beitragen könnte. In Deuteronomium 14,18 schreibt Luther von Fledermaus, Rohrdommel und Storch. Letzterer ist wahrscheinlich ein Schmutzgeier.

Der Geier galt als unrein, da er Aas frisst. Aber der beeindruckende Vogel wurde als König der Lüfte auch bewundert.

An anderer Stelle wird wieder das Dilemma der Übersetzung deutlich. Im 2. Buch Samuel übersetzt Luther mit Adler. Aber es ist wahrscheinlich eher ein Geier gemeint. Seine Schnelligkeit wird gelobt (2. Samuel 1, 23):

23 Saul und Jonathan, geliebt und einander zugetan, im Leben und im Tod nicht geschieden, schneller waren sie als die Adler und stärker als die Löwen.

Im hebräischen Text steht hier נֶשֶׁר næšær. Für die Übersetzung mit Geier spricht die Beschreibung in Micha 1,16, wo die Kahlheit seines Kopfes und Halses beschrieben werden. Eigenschaften, die der Adler nicht hat. Weitere Vergleiche beziehen sich auf den Flug, die im Flug weit ausgebreiteten Flügel und die Flügel, mit denen er seine Jungen schützt.

In Exodus 19,4 heißt es, wieder mal Adler laut Lutherübersetzung, aber es ist der Geier:

4 Ihr habt gesehen, was ich mit Ägypten getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht.

Hier wird der Schutz, den der Vogel seinen Jungen gibt, zum Bild für Gottes Schutz.

Der Geier baut seine Nester in Höhen und Felsen, sie sind für Menschen unerreichbar. Er kreist am Himmel und stürzt sich schnell herab, wenn er seine Beute erspäht hat. Außerdem wird dem Geier Regenerationskraft zugeschrieben. In Psalm 103,5 wird es beschrieben:

5 ...der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler [Geier]

Die Schutzfunktion des Geiers war auch in Ägypten ein bekannter Vergleich. Göttinnen wurden in Geiergestalt dargestellt. Geiergöttinnen umgeben schützend den ägyptischen König mit weit ausgebreiteten Flügeln.

3. Eule

Eule

Bei der Eule ist ebenfalls die genaue Übersetzung bezüglich der verschiedenen Eulenarten schwierig bis sogar unmöglich. Sie tauchen ebenfalls in den Listen der unreinen Tiere auf.

In Deuteronomium 14,15 und 16 werden in der Lutherübersetzung Eulen erwähnt: Nachteule, Käuzchen und Uhu.

Im Buch Jesaja (34,11-15) findet sich die Eule unter den Tieren, die die Trümmer Babylons heimsuchen. Es werden Tiere geschildert, die die Gegenwelt zur menschlichen Zivilisation darstellen, wie z.B. Schakale, Raben und Wüstentiere.

Es ist also ähnlich wie bei uns. Die Eule galt als unheimlicher Vogel.

4. Rabe

Rabe

Es gab verschiedene Rabenarten, aber in der Bibel findet sich keine Differenzierung. Die hebräische Bezeichnung für Raben ist lautmalerisch, eine Nachahmung des Gekrächzes der Raben. In der Liste der unreinen Vögel werden Raben aufgezählt, da sie Aas fressen. Es heißt dort (Dtn 14,14):

14 und alle Raben mit ihren Arten

Das zeigt, dass die Bezeichnung im Hebräischen die Gattung Rabe meint und nicht eine Unterart. Wie die Eulen werden auch die Raben an gleicher Stelle im Buch Jesaja (34,11) erwähnt. Sie gehören also auch zu den Vögeln, die furchterregend sind und Ruinenstätten und wüste Gebiete bewohnen.

In der Sintfluterzählung wird ein Rabe erwähnt. Noah ließ ihn vor der Taube fliegen. Er flog „hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden“, heißt es im Buch Genesis (8,7). Danach ließ Noah die Taube fliegen. Da der Rabe eigentlich schon die Trocknung der Gewässer erlebt hatte, liegt hier offensichtlich eine Dopplung im Buch Genesis vor.

Für den Propheten Elia spielten Raben eine besondere Rolle. Hier treten die Raben als fürsorglich auf. Sie versorgen Elia mit Brot und Fleisch. Elia versteckte sich auf Anweisung Gottes an einem Bach. Dort konnte er trinken und die Raben waren von Gott angewiesen, ihn zu versorgen. Hier kommt die Fürsorge Gottes für seinen Propheten durch die Raben zum Ausdruck. (1 Kön 17,4ff)

Ebenfalls das Thema Fürsorge findet sich in Psalm 147. Gott gibt dem Vieh sein Futter und den jungen Raben, die zu ihm rufen bzw. schreien, wonach sie schreien. Gott ist hier Geber der Nahrung, seine Fürsorge wird geschildert.

Ähnlich heißt es im Lukasevangelium über die Raben (Lk 12,24):

24 Seht die Raben an, sie säen nicht, sie ernten auch nicht, sie haben auch keinen Keller und keine Scheune, und Gott ernährt sie doch. Wie viel besser seid ihr [Menschen] als die Vögel.

5. Falke

Falke

Auch der Falke ist unter den unreinen Vögeln zu finden. In der Lutherbibel findet sich die Übersetzung Sperber, es dürfte jedoch ein Falke sein, wie es die Bibel in gerechter Sprache auch übersetzt (Dtn 14,15). Jede Art von Falken heißt es dort, es ist also ein Name für die ganze Gattung.

Im Buch Hiob wird der Falke als Zugvogel geschildert (Hi 39,26):

26 Fliegt der Falke empor dank deiner Einsicht und breitet seine Flügel aus, dem Süden zu?

Von den Assyrern wurde die Schnelligkeit und Wendigkeit der Falken geschätzt. Sie setzten sie zur Jagd ein. Mit Falken wurden offenbar auch Raben gejagt.

6. Sperling

Sperling

Auch der Sperling oder Spatz wird in der Bibel erwähnt. Er nistet in der Nähe der Häuser, oft auch an Hauswänden. Und er wurde gejagt. Kleinere Vögel wie der Spatz wurden mit Netzen gefangen. Es wurden Zugnetze verwendet, die von Hand ruckartig zugezogen wurden oder kleinere Klappnetze. Das Klappnetz war um zwei Bügel gespannt und klappte von allein zu. In beiden Fällen wurden die Vögel durch Köder auf das am Boden liegende Netz gelockt.

Im Buch Tobit werden Sperlinge erwähnt. Sie verursachen durch ihren Kot eine Augenkrankheit bei Tobit, die mit Fischgalle geheilt wird. Luther übersetzt hier mit Schwalbe. Die Erblindung war für Tobit eine harte Prüfung. Ein Engel verhilft Tobit dann wieder zu seinem Augenlicht.

In Psalm 84 ist es vermutlich der Sperling, der erwähnt wird. Andere Übersetzungen sind Schwalbe (Psalm 84,4):

4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und der Sperling ein Nest für seine Jungen…

Ebenso ist es im Buch der Sprüche (Spr 26,2):

2 Wie ein Vogel dahinfliegt und ein Sperling enteilt, so ist ein unverdienter Fluch: er trifft nicht ein.

7. Strauß

Strauß

Beim Strauß gibt es nicht so viele Übersetzunsprobleme. Dieser Vogel ist unverwechselbar. Strauße sind Rennvögel, sie erreichen eine Geschwindigkeit von 70 km/h. Denn in der Regel retten sich Strauße vor Angreifern durch Flucht. Im Zweifelsfall kann ein Strauß aber auch heftige Tritte austeilen und ist in der Lage einen Löwen oder Menschen zu töten. Der Lebensraum der Strauße ist die Savanne oder Wüste. Dort haben sie freien Blick und nichts hindert die schnelle Fortbewegung. Mit der dortigen Trockenheit kommen die Vögel gut klar, denn sie können den gesamten Wasserbedarf aus der Nahrung beziehen. Während der Balz geben Straußenmännchen laute Rufe von sich, die an das Brüllen von Löwen erinnern. Auch die Weibchen können zischende, knurrende Laute von sich geben. Strauße leben also nicht in den Regionen, die in der Regel von Menschen besiedelt sind und sie können Menschen gefährlich werden. Der Strauß gehört zu den unreinen Tieren (Dtn 14,15) und er gehört in die unheimlichen Gebiete wie Wüste und vernichtete Städte.

In den Prophetien Jesajas ist der Strauß mit der Schilderung von der Vernichtung von Städten verbunden. Zusammen mit anderen Wüstenbewohnern haust der Strauß in den Trümmern.

13 Dornen werden wachsen in sein Palästen, Nesseln und Disteln in seinen Schlössern, und es wird eine Behausung sein der Schakale und eine Stätte für die Strauße

heißt es im Buch Jesaja 34,13. Das ist keine Beschreibung eines anheimelnden Ortes. An anderer Stelle wird ebenfalls diese unheimliche Szenerie beschrieben (Jes 50,39):

39 Darum sollen Wüstentiere und wilde Hunde darin wohnen und die Strauße, und es soll nie mehr bewohnt werden und niemand darin hausen für und für.

Dieser unheimliche Vogel dient im Buch Jesaja aber auch dazu, die Zukunftshoffnung zu beschreiben. Die Wüste wird blühen und Strauß und andere wilde Tiere werden Jahwe verehren (Jes 43,20):

20 Das Wild des Feldes preist mich, die Schakale und Strauße, denn ich will in der Wüste Wasser und in der Einöde Ströme geben, zu tränken mein Volk, meine Auserwählten;

Der Strauß galt als gefährliches Tier, das sich nicht um seinen Nachwuchs kümmert (Klgl 4,3):

3 Auch Schakale reichen ihren Jungen die Brüste und säugen sie, aber die Tochter meines Volkes ist unbarmherzig wie ein Strauß in der Wüste.

steht im Buch der Klagelieder. Sonst sind Schakale und Strauße immer gemeinsam Tiere der unheimlichen Szenerie. Hier wird der Schakal als positives Beispiel hervorgehoben, um das Verhalten des Straußes um so mehr zu kritisieren. Es ist übrigens biologisch falsch, Straußenhennen versorgen ihren Nachwuchs. Aber diese Vorstellung der grausamen Straußenmutter war damals üblich. Auch im Buch Hiob wird dieses Verhalten geschildert und mit mangelnder Weisheit begründet (Hi 39,13–17):

13 Der Fittich der Straußin hebt sich fröhlich; aber ist’s ein Gefieder, das sorgsam birgt? 14 Lässt sie doch ihre Eier auf der Erde liegen zum Ausbrüten auf dem Boden 15 und vergisst, dass ein Fuß sie zertreten und ein wildes Tier sie zerbrechen kann! 16 Sie ist so hart gegen ihre Jungen, als wären es nicht ihre; es kümmert sie nicht, dass ihre Mühe umsonst war. 17 Denn Gott hat ihr die Weisheit versagt und hat ihr keinen Verstand zugeteilt.

Straußeneier

Interessant ist die Darstellung von Straußen auf Siegelamuletten. Dort werden sie zum einen in Jagdszenen dargestellt, die aus Mesopotamien stammen. Der Hintergrund für diese Darstellung ist sicher die Lebensrealität. Die Schnelligkeit und Gefährlichkeit des Straußes machte in zu einer beliebten Trophäe.

Weiterhin gibt es Darstellungen, die den „Herrn der Strauße“ zeigen. Es ist ein palästinensischer Typ der im Orient weit verbreiteten Vorstellung des „Herrn der Tiere“. Der Ursprung des „Herrn der Tiere“ ist die Jagd. Dort wurden Mut und Kampfeslust und Geschicklichkeit gezeigt. Der Sieg über wilde Tiere ist ein fester Bestandteil in Heldenerzählungen. In Ägypten und Mesopotamien gehörte die Darstellung des Königs auf der Jagd zur Königsideologie. Tatsächlich haben die Könige wilde Tiere gejagt. Auf Darstellungen ist zu sehen, wie der König völlig unangestrengt und voller Überlegenheit wilde Tiere erlegt. Es wurden sogar Tierparks und Jagdreviere eingerichtet. Die Tiere wurden in Kisten gefangen und dann vor dem schussbereiten König freigelassen.

Hintergrund für diese Darstellungen und diese reale Jagd ist die Gefahr, die tatsächlich von wilden Tieren ausging. Sie symbolisierten die Mächte des Bösen, die die Ordnung der Welt bedrohen. Der König erscheint als der Held, der „Herr der Tiere“, der diese Mächte beherrscht, das Chaos bannt und so die Ordnung bewahrt. Genau diese Aufgabe erfüllt der König auch im Krieg. Die Darstellungen von seinem Sieg über Feinde und dem Sieg über Tiere auf der Jagd weisen Parallelen auf. In beiden Fällen zeigt der König seine Macht und ist Garant der Weltordnung.

Bei den Königen Israels und Judas spielte die Jagd keine Rolle. Die Jagd scheint nicht mal ein Ideal gewesen zu sein. Die Vorstellung der Heilszeit ist ein friedliches Zusammenleben mit wilden Tieren, nicht die leichte Jagd. Umso erstaunlicher ist es, dass sich in der Eisenzeit in Palästina Darstellungen des „Herrn der Strauße“ finden. Im Süden ist er deutlich öfter zu finden als im Norden. Er wurde dort zu einer Göttergestalt, die am Rand des israelitischen Kulturlandes in der Steppe wirkte. Eben dort, wo sich der Lebensraum des Straußes befindet. Diese Vorstellung der Bändigung gefährlicher Kräfte hatte sicher Anhaltspunkte im realen Leben, denn der Strauß konnte Menschen durchaus gefährlich werden.

8. Reiher

Reiher

Auch der Reiher wird in der Liste der unreinen Vögel erwähnt zusammen mit dem Häher, dem Wiedehopf und der Schwalbe. (Dtn 14,18) Aber auch nur dort.

Vor allem im Winter halten sich in Palästina bzw. Israel Reiher auf.

Ansonsten ist er auch Opfer der Übersetzungsprobleme. In der Lutherübersetzung steht in Psalm 104,17 Reiher:

17 Dort nisten die Vögel und die Reiher wohnen in den Wipfeln.

Aber der gemeinte Vogel ist eher mit Storch zu übersetzen.

9. Wiedehopf

Wiedehopf

Der Wiedehopf ist nur und ausschließlich in der Liste der unreinen Tiere zu finden. (Dtn 14,18)

Er ist mit seinem wallenden Federbusch und mit dem relativ großen, gebogenen Schnabel ein auffallender Vogel. Da sein Nest einen üblen Geruch verbreitet, galt er in der Antike als Vogel mit wenig Reinlichkeitssinn. In Palästina brütet der Wiedehopf im März in Baumhöhlen oder Felsspalten.

10. Schwalbe

Schwalbe

Die Schwalbe ist ein Zugvogel. Sie brütet in Europa und Asien und überwintert im südlichen Afrika. Auch bei der Schwalbe ist die Übersetzung nicht immer eindeutig. Vermutlich sind die Vögel, die in folgenden Texten erwähnt werden, Schwalben. Im Buch Jesaja (38,14) steht in der Lutherübersetzung:

14 Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube, meine Augen sehen verlangend nach oben: Herr, ich leide Not, tritt für mich ein.

Hier vergleicht ein Kranker sein Stöhnen mit den Rufen der Vögel.

Im Buch Jeremia (8,7), ebenfalls in der Lutherübersetzung, findet sich folgende Stelle:

7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube und Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen.

Hier sind die Zugvögel Vorbild für die Menschen, weil sie sich an die göttliche Ordnung halten.

In beiden Stellen sind Turmschwalben oder Mauersegler gemeint. Wegen ihres ähnlichen Aussehens können diese Arten der Schwalben leicht verwechselt werden.

11. Steinhuhn

Steinhuhn

Das Steinhuhn ist eine Feldhuhnart. Seinen Namen, Gore, hat es wegen der auffälligen Rufe des Männchens: tschuck

Zwischen Felsen und herumliegendem Holz ist dieser Vogel kaum zu erkennen. Die Tarnfarbe ist nahezu perfekt. Das Steinhuhn kann gut laufen, aber sehr schlecht fliegen. Ist es vom Laufen ermüdet, so wird es leichte Beute für die Menschen.

Im 1.Buch Samuel wird dieses Verhalten des Steinhuhns vorausgesetzt. David fühlt sich gegenüber Saul, der ihn mit 3000 Mann verfolgt, wie ein Steinhuhn, das man in den Bergen jagt, um es zu fangen (1 Sam 26,20):

20 So fließe nun mein Blut nicht auf die Erde fern vom Angesicht des Herrn! Denn der König von Israel ist ja ausgezogen, zu suchen eine einzelnen Floh, wie man ein Rebhuhn [Steinhuhn] jagt auf den Bergen.“

Saul hat jedoch nicht dieses „Jagdglück“.

Im Buch Jeremia wird vermutlich auf das Verhalten eines Steinhuhns angespielt. Steinhühner bauen ihre Nester in flachen Mulden im Sand. Die Nester sind also ungeschützt. Raubvögel, Schlangen und Menschen haben leichten Zugriff. Deswegen legen Steinhühner viele Eier, um ihre Art zu erhalten. Beim Verlassen der Nester kann es auch zu Verwechslungen kommen und das Steinhuhn brütet dann fremde Eier aus (Jer 17,11):

11 Wie ein Vogel, der sich über Eier setzt, die er nicht gelegt hat, so ist, wer unrecht Gut sammelt, denn er muss davon, wenn er`s am wenigsten denkt, und muss zuletzt noch Spott dazu haben.“

Steinhühner wurden gefangen, in Körben gehalten und so als Lockvogel benutzt. Im Buch Sirach wird das beschrieben (Sir 11,30, Bibel in gerechter Sprache):

30 Wie ein Rebhuhn [Steinhuhn] als Lockvogel im Korb des Jägers, so ist das Herz der Überheblichen.

Der Name des Steinhuhns, Gore oder Kore, ist auch ein Personenname für Männer (2Chr 31,14):

14 Und der Levit Kore, der Sohn Jimnas, ...